Auf dem ehemals sicher staubigen, heute jedoch asphaltierten Weg zwischen Shiraz und Kerman wird einem die Dimension des Irans bewusst. Endlose Weite. Sandiges Nichts. Austrocknende Seen. Goldene Bergketten, die lange Schatten werfen.

Als wir am späten Abend in Kerman ankommen, werden wir von Ali abgeholt, dessen Familie uns für ein, zwei Tage beherbergen wird. Wir betreten das Wohnzimmer und es ist nicht das erste Mal, dass so viele Menschen anwesend sind und man erst nach langem Beobachten und vorsichtigem Nachfragen versteht, welches Kind zu welcher Mutter und welcher Mann zu welcher Frau gehört. Regelmäßige Familienbesuche (d.h. zwei- bis dreimal pro Woche) gehören im Iran zum guten Ton. Es werden Tee, Datteln, Süßigkeiten und Früchte angeboten und schließlich wird die Plastiktischdecke auf dem Boden ausgebreitet, alle versammeln sich im Schneidersitz darum und das Abendessen wird serviert. In Alis Familie lernen wir so einiges:

1. Man kann Pistazien auch frisch essen, wenn die Schale noch richtig weich ist.

2. Als „vegetarisch“ deklariertes Essen ist oft mit Fleischbrühe vom Schaf zubereitet. Dementsprechend schmeckt es auch.

3. Das tägliche Leben ist von Höflichkeitsfloskeln (ta’arof) geprägt. Es kann durchaus sein, dass man nach fünf Minuten Smalltalk auf der Straße zu jemandem nach Hause eingeladen wird. Das sollte man immer schön ablehnen und nie als ernsthafte Einladung verstehen. ta’arof ist auch, erst nach langem Nachfragen zuzugeben, dass man hungrig oder müde ist und sich dreimal auffordern lassen, etwas zu essen, bevor man tatsächlich zugreift.

4. Was bei uns Tabu-Themen für ein Gespräch unter flüchtigen Bekannten ist, wird im Iran sofort nach der Begrüßung angesprochen: Seid ihr verheiratet? Wie alt seid ihr? Seid ihr katholisch? Wie viel verdient ihr? Und dann die Frage der Fragen: Was denkt ihr (und euer Umfeld) über den Iran? Spätestens da merkt man, wie wichtig den Iranern ihr Ruf in der Welt ist.

Nach all diesen kulturellen Lektionen stand uns eine lange Nacht bevor: Gemeinsam mit Ali und dessen Freund Ali-Amir machten wir uns gegen Mitternacht auf den Weg zu den Kaluts. Immer weiter entfernten wir uns von bewohntem Gebiet und standen irgendwann inmitten der Wüste. Und dort verbrachten wir die Nacht. Mit wärmenden Decken, heißem Tee und Kameras ausgestattet genossen wir die klare Sicht auf den Sternenhimmel inklusive unzähliger Sternschnuppen und den Sonnenaufgang am nächsten Morgen über den yardangs, von Wind und Wetter geformten Sandformationen.